Tag 2
Da unsere Klasse in der 2. Gruppe war, konnten wir etwas länger schlafen.
Nach einer gepflegten Dusche ging es dann runter zum Essen.
Das Frühstück war eigentlich ganz OK, auch wenn man auf keinen Fall nach mehr Butter fragen sollte.
Eine Mitschülerin hat es gewagt und erhielt als Antwort einen Mix aus Tschechisch und Deutsch, der schwer nach Beschimpfung klang.
Anschließend ging es zum Schulbesuch.
Nach dem unser griechischer Blindfahrer Busfahrer, sich noch kurz verfahren hatte kamen wir dann mit höchstens 20 Minuten Verspätung in der Schule an.
Das Gebäude an sich war durchaus interessant:
Ein von einem tschechischen Künstler / Architekten entworfenes und unter Denkmalschutz stehendes Haus, das beim Eintritt und von außen eine verblüffende Ähnlichkeit mit einer Jugendvollzugsanstalt oder einem Armeekrankenhaus hatte.
Dieses Bild wurde allerdings von dem hinter Sicherheitsglas sitzenden älteren Ehepaar etwas durch den Kakao gezogen, da die beiden eher freundlich wirkten und nicht wirklich wie bewaffnete Eingangswächter.
Ein weiterer Abbruch des bedrohlichen Erstbildes war die überall verteilte Kunst, die Schülerbelegschaft (viel Ähnlichkeit mit einer anderen Schule in unserem Landkreis) und Die Lehrerschaft, die auf eine tschechische Art durchweg freundlich wirkten.
Nach unserer Ankunft mussten wir eine des Deutschen mächtige Lehrerin finden und so erklommen wir das Treppenhaus, in dem es sogar einen Aufzug gab, der aber auch gut aus einem Stephen-King-Buch hätte stammen können.
Wir nahmen also die Treppe.
Schon bald trafen wir auf die uns zugeteilte Lehrerin, mit der wir uns dann auch ausschließlich unterhielten, da die Schüler entweder im Abitur waren oder im Praktikum.
Im Anschluss daran bekamen wir noch eine kostenlose Führung durch die Schule, die sich, je höher man kam, doch noch als recht ansehnlich herausstellte.
Die schönsten Räume fand man dann direkt unterm Dach, nämlich die Kunsträume, mit einem Blick über die Stadt, der seinesgleichen sucht (das kommt halt dabei raus, wenn man nen Künstler eine Schule designen lässt).
Nach dieser Veranstaltung ging es dann, fast ohne Verfahren, zur Prag-Rundfahrt.
Dem Gesetz der Regel folgend stellte sich die dann dummerweise als Rundgang heraus und so spazierten wir dann 4,5 Stunden durch Prag…
Unsere Führerin war auch ein Fall für sich. Sie erklärte uns erst mal, dass man nicht auf der Straße tauschen solle und dass die Wechselstuben zwar angeben günstig zu sein, aber um die 10% Bearbeitungsgebühr nehmen würden.
„Und wo kann man dann wechseln?!“
Daraufhin holte sie ihren Geldbeutel heraus und erklärte uns, dass sie kleinere Summen (50€) eben wechseln könne…
Es war ein netter Gang und als unsere Gemeinschaft mit beschränkter Hoffnung endlich an der Karlsbrücke ankam, waren wir froh, endlich die beeindruckende Sehenswürdigkeit von Prag begehen zu dürfen.
Zwischenzeitlich fragte mich Joy sogar, ob ich nicht bei der Theater AG mitmachen wolle.
Interessant, Schmeichelhaft und weiterer Gedanken bedürftig.
Wer das Gesetz der Regel kennt, der weiß: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“
Und so standen wir am Brückenkopf dieses Monumentes und wollten gerade rübergehen, als von irgendwo eine Stimme kam: „Ok, das war dann der Rundgang durch Prag. Ich hoffe, es hat Ihnen allen gefallen und nun auf zum Bus.“
Wie meinen?!
„Wer noch die Karlsbrücke besichtigen möchte kann das gerne machen, muss dann aber sehen, wie er nach Hause kommt.“
Ich finde mich in osteuropäischen Großstädten von Natur aus gut zurecht, aber das war mir dann doch nicht geheuer.
So ging es dann per U-Bahn zum Bus und von da aus (fast) ohne Umwege zum Hotel.
Dort angekommen gab es dann auch Abendbrot, ich hoffe nach wie vor, dass das, was wir hatten Leberkäse mit Kartoffelbrei war. Beim Kartoffelbrei bin ich mir nach wie vor nicht sicher, aber der Leberkäse schmeckte ziemlich authentisch.
Im Anschluss daran ging es dann in unseren „Party-Raum“ (das Zimmer 101).
Dort hatten wir einigen Spaß und es kam sogar zu richtigen „Rock-Exzessen“ (wenn man eine zerbrochene, leere Flasche und etwas verkippten Vodka als solche bezeichnen kann)
Die auf dem Boden verteilten Splitter waren nicht wirklich stimmungs- hebend, und ich konnte feststellen, dass Blut und über einen Frauenfuß verkleckster Nagellack schwer zu unterscheiden sind.
Zwischenzeitlich bin ich noch mit Meike auf die Suche nach ein paar Leuten gegangen, und wir landeten dann vor einem Zimmer, aus dem Geräusche kamen.
Also klopft sie und es kommt eine Stimme: „Ja? Wer ist da?“
Es trifft mich wie ein Blitz: Die Stimme gehört ner Frau Toben-Vollmer!
Ein Jahr mit ihr ließ mich die Stimme sofort wieder erkennen.
Ich will Meike bereits schnappen, schultern und fliehen, da macht sie die Tür auf. Unentdeckt sehe ich die bekannte Silhouette im Fenster gespiegelt, der Fernseher läuft (Musikantenstadl?!).
Mit meiner katzenhaften Gewandtheit schleiche ich um die nächste Ecke und schmiege mich ergonomisch an die Wand (Sam Fischer wäre erblasst!).
Angestrengt überblicke ich die Situation, mein einziger Gedanke: „Verlier nicht die Nerven, Meike!“
Glücklicherweise verfügte auch Meike über Drahtseile Nerven.
So kam dann von ihr schlicht: „Oh, das ist wohl der falsche Raum.“ Frau T-F zog die falschen Schlüsse: „Sind Sie auf der Suche nach Frau Valentin? Die ist noch weg und ist wenn im Zimmer gegenüber.“
Meike: „Ah, danke.“
Noch einige freundliche Floskeln und wir waren weg.
Nach dieser Aktion entschlossen wir uns wieder zu den Anderen zu gehen und gingen zurück zum Zimmer 101.
Dort angekommen war es schon nach Sperrstunde und so entschlossen sich die Insassen spontan zu einem Spaziergang zu Albert, dem nächsten supermarrktähnlichen Geschäft.
Der Alkoholpegel der Allgemeinheit durchschlug mittlerweile die Decke und so wurde der Weg zu einer interessanten Mischung aus Kultur-Kritik und Slapstick.
Die Tatsache, dass Meike noch nicht wirklich viel Alkohol hatte und 0,75l Vodka nicht reichen, um mich betrunken zu machen, sorgte dafür, dass wir beiden etwas auf die Anderen acht gaben.
Das bewahrte einige allerdings nicht vor dem Zorn der Anwohner, die, sichtlich erbost über die späte Störung, einen Eimer Wasser über einigen entleerten.
Bei Albert angekommen bewahrheitete sich mein zu Anfang des Abends im Spaß gesagter Satz: „Hmm, that top’s gonna come off tonight! :)“
In Ermangelung von Trunkenheit amüsierten sich Meike und ich über einige Sprüche und Aktionen unserer Mitschüler und irgendwann gab ich Meike dann einen Grundkurs in Pokerregeln.
Wieder am Hotel stellten wir fest, dass Frau Valentin wieder da war und so ging es dann in ihr Zimmer zum Gratulieren und Singen. Einige Schüler/innen, die sich entschlossen hatten Boxer-Shorts als Hosenersatz zu tragen, machten es sich sogar auf dem Bett gemütlich. Frau Valentin war gerührt und ging mit uns runter in die Lobby, damit wir Frau T-V nicht weckten.
Unten angekommen unterhielt ich mich noch mit Fabian darüber, wie komisch sich manche Leute unter Alkohol verhalten (da er auf der Fahrt keinen getrunken hat muss es wohl für ihn Urkomisch gewesen sein).
Irgendwann ging es dann ins Bett und wir entschlossen uns auszuschlafen und unser Frühstück selbst zu jagen kaufen.
Mittlerweile hatte ich mich entschlossen an ein nächtliches Feuerwerk zu glauben und genoss das knallen.
Vielleicht war das Blut auf der Straße ja auch nur Nagellack…
3 Kommentare:
Okay, je mehr Du schreibst umso mehr komme ich zu dem Schluß, daß weltweit alle Jugendherbergen gleich sind, Fahrstühle außer in Krankenhäusern beängstigend und es einfach keine Busfahrer mit Orrientierungssinn gibt. Haben die eigentlich noch nie was von Navi-systemen gehört?!
Bin jetzt auch endlich einmal auf deinen Blog gestoßen, beziehungsweise in die Weiten deiner schrägen Geistesergüsse vorgestoßen. Durchaus interessant!
Im Übrigen waren die unter Alkohol vonstatten gegangenen Betätigungen an Frau Valentiens Ehrentag (Sind DIESE Geschenke und DIESER Besuch eine Ehre gewesen? Und war es nicht eher Nacht als die kurzlebigen Feierlichkeiten begannen?) für mich nicht allzu amüsant, wenn man von Thomas absieht, der sich in angeheitertem Zustand irgendwie immer mehr so aufführte, als käme er doch vom selben Ufer wie du oder ich. Da bin ich jedenfalls Schlimmeres gewohnt, wie beispielsweise Leute, die es für nötig halten, ab einem bestimmten Alkoholpegel die Kleidung abzustreifen und eine kleine FKK-Party im Garten des Gastgebers zu veranstalten...
Das "Blut" auf den Straßen könnte auch das Resultat einiger Aktionen meines Zimmergenossen Dennis und mir sein, die größenteils darin bestanden, Gegenstände, überwiegend verdorbene oder einfach störende Lebensmittel aus dem Fenster zu befördern. Vielleicht haben die ja noch gelebt, jedenfalls bis zum Aufschlag auf dem Boden des Viertels, das in der Tat einem sozialen Brennpunkt von Prag nahe kam?
Ich freue mich jedenfalls auf den nächsten Tag, den du uns schilderst, einiges davon war mir unbekannt, vorallem, dass Mert sich verfahren haben soll!?!
Muy bien!Deine Berichte sind sehr ausführlich und interessant geschrieben; wenn man nicht aufpasst,gerät man in Gefangenschaft und wird an den Schreibtischstuhl gefesselt.
Zur Beruhigung: die roten Flecken waren lediglich zertretene Marienkäfer, die in Praha nuneinmal sehr weit verbreitet sind.Und die nächtlichen Knallaktionen kamen aus dem Zimmer 106(?), in dem ich mit laut knurrendem Magen im "Bett" lag.
It's that simple:-P
Liebe Grüße
Meike
Kommentar veröffentlichen